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25. August 2025

Amelie fragt nach - Was ist UK und wer braucht das eigentlich?

Petra ZehentnerPetra Zehentner
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Ein Gespräch über Kommunikation, Verständnis und Mut zuzuhören.

Neulich. Pool, Wasser, Sonne. Kinder spielen. Johannes mittendrin – mit seinen Schwimmflügerln, mit seiner Mimik, seinen Lauten, seinen Gesten. Ich bin auch da, wie meistens. Als Mama, als Beobachterin, als Übersetzerin. Natürlich spiele ich das Wassermonster und jage Kleine Kinder.  Und dann fragt die Amelie, vier Jahre alt, glasklar und offen: „Warum redet der Johannes nicht?“Ich schlucke kurz. Und dann erzähle ich.„Weißt du, Johannes hatte als kleines Baby eine Gaumenspalte, da war eine Operation notwendig, und dann hat er nicht so sprechen gelernt wie andere Kinder. Aber er kann sich trotzdem mitteilen. Nur eben anders. Er zeigt mit den Händen, benutzt Gebärden, zeigt auf Bilder oder Symbole am Computer.“Amelie schaut. Und nickt. „Cool.“, sagt sie. Und das war’s. Kein Drama. Kein Mitleid. Kein Aber. Einfach: akzeptiert.Und ich stehe im Pool da wie ein begossener Pudel, mit elf Jahren Erfahrung als Mama eines nonverbalen Kindes, unzähligen Gesprächen mit Pädagog:innen, Fachstellen, Ärzten – und spüre plötzlich: Vielleicht ist das alles gar kein Hexenwerk. Vielleicht ist UK einfach. Wenn man sie zulässt.

Petra und ihr Sohn Johannes (Foto: Marlene_Fröhlich)

Was ist Unterstützte Kommunikation (UK)?

Unterstützte Kommunikation – oder auch AAC (Augmentative and Alternative Communication) – ist ein Sammelbegriff für alle Formen der Verständigung, die Menschen nutzen, wenn sie nicht oder nur eingeschränkt sprechen können.

UK kann sein:

  • Lautsprachlich begleitetes Gebärden (z.B. aus Österreichischen Gebärdensprache – ÖGS – oder der Deutschen Gebärdensprache – DGS)
  • Symbolsysteme wie METACOM können verwendet werden
  • Kommunikationsgeräte (Talker) mit Sprachausgabe oder Augensteuerung
  • Kommunikationsmappen mit Bildern oder Symbolen
  • Ja/Nein-Konzepte, Körpersprache, Mimik – alles zählt

Wer braucht UK?

UK ist für Menschen, die auf Grund von:

  • körperlicher Behinderung (z.B. Cerebralparese)
  • autistischen Wahrnehmungsverarbeitungen
  • genetischen Besonderheiten (z.B. Trisomie 21, Rett- Syndrom)
  • neurologischen Erkrankungen (z.B. ALS, MS)
  • entwicklungsbedingten Sprachverzögerungen

nicht oder nicht zuverlässig sprechen können. UK ist Ersatz für fehlende Verbalsprache.

Sie ist auch eine Brücke zur Verständigung. An der Stelle mal eine andere Überlegung: Wir sind in vielen Ländern der Erde quasi „nonverbal“, also der Landessprache nicht mächtig und brauchen genau solche Brücken. Zb. ist es in Italien nicht möglich ohne geeignete Gestik zu kommunizieren – weder in Italienisch noch auf Deutsch.

Und was hat das mit Amelie zu tun?

Amelie hat etwas verstanden, was vielen Erwachsenen schwerfällt: Dass man nicht alles verstehen muss, um respektvoll zu begegnen. Dass man lernen kann, wie jemand anders kommuniziert. Dass es neugierig macht, wenn jemand eine andere Sprache spricht – auch ohne Worte.

Johannes braucht Unterstützung beim Kommunizieren – und Amelie? Die hat genau das gemacht, was alle guten Kommunikationspartner:innen tun: zuhören, hinschauen, nachfragen und akzeptieren.

Was ich mir wünsche

Dass wir uns alle mehr trauen zu fragen – so wie Amelie. Dass wir mehr zuhören, auch wenn’s nicht laut ist. Dass wir aufhören zu denken, UK sei ein Spezialgebiet für ein paar Nerds. Denn Unterstützte Kommunikation ist Haltung. Es geht nicht um Hightech oder komplizierte Programme – sondern um Verstehen wollen.

UK funktioniert, wenn Menschen bereit sind, sich auf eine andere Kommunikation einzulassen. Ob mit Symbolen, mit den Augen, mit Händen oder mit einer Computerstimme – das Ziel bleibt gleich: Ich will verstanden werden.

Und noch ein Tipp für den Alltag

Hilfreich für Menschen, die sich mit Unterstützter Kommunikation organisieren, ist auch eine gute Strukturierung des Alltags. Die App „Independo“ kann dabei unterstützen – sie funktioniert wie ein digitaler Kalender oder ein Tagebuch. Man kann Aufgaben, Erinnerungen oder Routinen bildlich und leicht verständlich darstellen – eine ideale Ergänzung zu Symboltafeln oder Talkern. Aber das ist im Urlaub richtig egal, hier lassen wir 5 mal 5 sein und schließlich ist Lachen international verständlich.

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Petra ZehentnerPetra Zehentner
Petra (geb. 1973 in Wien) ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes, der nonverbal kommuniziert, hat den Lehrgang LUKö3 am FBZ Köln absolviert, arbeitet als Beraterin für Unterstützte Kommunikation und studiert derzeit Inklusionspädagogik. Mit fachlicher Expertise setzt sie sich leidenschaftlich für individuelle Kommunikationslösungen und Behindertenrechte ein – getragen von der tiefen Überzeugung, dass Kommunikation unabhängig von Lautsprache ein Menschenrecht ist.

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